Pack den Wasserstoff in den Tank

Das batterie-elektrische Auto – in jedem Fall das Fahrzeug der Zukunft? Oder ist Mobilität mit Batterie oder Wasserstoff-betriebener Brennstoffzelle oder H2-Motor nicht doch „eine Frage der Infrastruktur?“ Dr. Thomas Grube vom Forschungszentrum Jülich regte beim TELI Jour-fixe am 27. Februar in München mit einer Fülle von Fakten und Zahlen zum Nachdenken an. Grube leitet die Arbeitsgruppe Mobilität am Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung. In einer Studie (siehe unten) kamen er und sein Team zu teils verblüffenden Ergebnissen:

Dr.-Ing. Thomas Grube, Gruppenleiter Mobilität am Institut für Energie- und Klimaforschung | IEK-3: Elektrochemische Verfahrenstechnik des Forschungszentrums Jülich beim TELI-Jour-fixe im Internationalen PresseClub München. (Bild: Arno Kral)
Dr.-Ing. Thomas Grube,
Gruppenleiter Mobilität am Institut für Energie- und Klimaforschung | IEK-3: Elektrochemische Verfahrenstechnik des Forschungszentrums Jülich beim TELI-Jour-fixe im Internationalen PresseClub München. (Bild: Arno Kral)

Energietransport per hochgespanntem Gleichstrom quer durch die Republik – effizienter geht’s nimmer? Grubes Antwort: „Ein Gastransport ist effizienter. Wasserstoff quer durch Deutschland zu leiten funktioniert sogar ohne Verdichter.“ Ein Gasnetzwerk hätte weniger als 0,1 Prozent Verluste gegenüber acht Prozent eines Stromnetzsystems.

Und Speicher für den so flüchtigen Wasserstoff? „Die Kavernen für Erdgas sind auch für Wasserstoff geeignet“, betont Grube, und zwar für Wasserstoff aus überschüssigem Windstrom. Der passt auch meist in die vorhandenen Erdgaspipelines. Eine H2-Infrastruktur wäre zudem durchaus bezahlbar, so das Jülicher Credo.

Mit einem Tank voll Wasserstoff fährt das Auto 500 Kilometer in einem Rutsch. Da kommt die Batterie nicht mit. Freilich: Der Tank steht unter einem Druck von 700 bar. „Das ist eine Ansage“, räumt Wissenschaftler Grube ein. Doch das sei technisch ebenfalls beherrschbar. Wasserstoff ist ja kein unbekanntes Wesen im Lande. Grube verweist auf die teils hunderte Kilometer langen Wasserstoffnetze der chemischen Industrie. Gefährlicher als Benzin soll das energiereiche Gas im Autotank auch nicht sein. Apropos Benzin: „Die Brennstoffzelle ist dreimal besser als ein Benziner.“

An die Batterie glaubt Grube zumindest bei langen Distanzen nicht. Und er sieht voraus, was geschieht, wenn schnell ladende Batteriemobile zum Massenphänomen anwachsen: „Wenn wir 20 Millionen E-Mobile haben, dann lassen sich nicht mehr alle gesteuert laden. Zehn Millionen müssten öffentlich laden.“ Und das hieße: Schnell laden in zehn Minuten – möglichst mit „grünem“ Strom. Ein massiver Ausbau der Verteilnetze wäre unvermeidbar. Netzstationen eingeschlossen. Grube sieht nicht, dass zum Beispiel die Transformatoren der Autobahntankstellen diesen Andrang ohne großen Zubau verkraften würden, die Strom-Anlagen bei den Autohöfen für LKW wohl eher. Zudem: Ob die Batterien in den E-Mobilen kostendeckend wären, stellt Grube zumindest in Frage, ebenso hinterfragt er deren Ökobilanz.

Doch der Jülicher Wissenschaftler verteufelt die Batterie keineswegs: „Bei den Bussen zum Beispiel ergänzen sich Wasserstoff und E-Fahrzeuge!“ Und Treibstoffe aus Erneuerbaren (Power-to-Fuel) wären noch eine weitere Option (Aktuelle Jülich-IEK-3-Studie). Unter dem Titel „Grüner Strom für Millionen Autos“ findet sich auf dieser Seite eine tiefer gehende Reportage zu diesem Jour-fixe.

Beispiele für Wasserstoff als Energieträger

Ab 2022 will die Zillertalbahn mit Wasserstoff fahren und so 800.000 Liter Diesel pro Jahr einsparen. Bild: Zillertaler Verkehrsbetriebe AG anführen
Ab 2022 will die Zillertalbahn mit Wasserstoff fahren und so 800.000 Liter Diesel pro Jahr einsparen.
Bild: Zillertaler Verkehrsbetriebe AG anführen

Zu den bekanntesten Fahrzeugen mit Brennstoffzelle zählen zwar die Unterseeboote der Klasse 212A der Deutschen Marine, deren Brennstoffzellen laut Dr. Grube Siemens fertigt. Der allgemeine Personenverkehr erfordert indes landgängige Fahrzeuge.

Bei der schmalspurigen Zillertalbahn im österreichischen Bundesland Tirol sind die Würfel schon zugunsten des Wasserstoffs gefallen: Ab 2022 fährt die vor allem für den Tourismus wichtige Bahn zwischen Jenbach und Mayrhofen am Fuß der Zillertaler Alpen mit H2 statt mit 800.000 Liter Diesel pro Jahr. Die Zillertalbahn verwertet den Wasserstoff in einer Brennstoffzelle zum Antrieb von Elektromotoren. Der Wasserstoff für das Projekt H2 Zillertal: Zillertalbahn 2020+ wird vor Ort per Elektrolyse aus Wasserkraft-Strom erzeugt – preisgünstig zu Schwachlastzeiten.

Es gibt sogar bereits Brennstoffzellen-Autos zu kaufen! Wenigsten zwei! Die Web-Seite Greengear führt in ihrer Marktübersicht: Autos mit alternativen Antrieben und Kraftstoffen zwei Modelle auf:

Serien-Elektromobil mit Wasserstoff-Brennstoffzelle: Hyundai ix35 Fuel Cell Foto: Hyundai
Serien-Elektromobil mit Wasserstoff-Brennstoffzelle: Hyundai ix35 Fuel Cell. Foto: Hyundai
  • den ix35 Fuel Cell von Hyundai, der pro 100 Kilometer knapp ein Kilogramm Wasserstoff verbrauchen und mit einer Tankfüllung knapp 600 Kilometer weit kommen und 65450 € kosten soll, sowie
  • den Mirai von Toyota, der sich pro 100 Kilometer mit gut einem Dreiviertel Kilogramm Wasserstoff begnügen und eine Reichweite von 500 Kilometern bewältigen und 78600 € kosten soll.

Daimler marschiert ebenfalls in Richtung Brennstoffzellen-Mobilität und hat im März 2018 unter der Technologie-Bezeichnung „EQ Power“ ein „für die Serie vorgesehenes Elektromodell“ vorgestellt, den Mercedes-Benz GLC F-CELL. Er kombiniert Brennstoffzellen- und Batterietechnik zu einem rein elektrischen Plug-in-Hybrid. Sein Brennstoffzellensystem soll erstmals in einen konventionellen Motorraum passen und den Auto im Vergleich zur B-Klasse F-CELL 40 Prozent mehr Antriebsleistung bescheren, bei 90 Prozent weniger Platin und etwa 25 Prozent weniger Gewicht. Das Vorserienmodell weise 147 Kilowatt auf, seine Reichweiten sollen im H2-Modus 437 Kilometer und im batterie-elektrischen Modus 49 Kilometer betragen und dank 700-bar-Tanktechnologie in rund drei Minuten mit Wasserstoff betankbar sein.

Die Heizanlage Vissmann Viotovalor 300 arbeitet mit einer Brennstoffzelle von Panasonic, die Wasserstoff durch Steamreforming aus Erdgas erzeugt. (Bild: Arno Kral)
Die Heizanlage Vissmann Viotovalor 300 arbeitet mit einer Brennstoffzelle von Panasonic, die Wasserstoff durch Steamreforming aus Erdgas erzeugt. (Bild: Arno Kral)

Außerhalb des Transportsektors bietet die Firma Viessmann für den stationären Einsatz das Heizsystem Vitovalor 300-P an. Es arbeitet mit einer Brennstoffzelle der Firma Panasonic, die Wasserstoff durch Steamreforming aus Erdgas gewinnt. Der Deutsche Staat fördert die Anschaffung einer solchen Anlage mit bis zu 11100 Euro.

Wasserstoff will auch der Mainzer Energiepark in den kommenden Jahren klimafreundlich produzieren – mit Hilfe von erneuerbarem Strom. Der Wasserstoff soll langfristig als umweltfreundlicher Energieträger in der Mobilität, als grüner Rohstoff für die Industrie und als Ersatz von fossilem Erdgas genutzt werden. Der Energiepark Mainz ist ein Innovationsprojekt im Bereich der Sektorenkopplung und Energiespeicherung. Die weltweit größte Elektrolyseanlage ihrer Art im Juli 2015 war als Forschungsprojekt der Linde Group, Siemens und der Mainzer Stadtwerke mit finanzieller Unterstützung der Bundesregierung gestartet.

Energiepark Mainz Siemens Linde Stadtwerke Mainz Anlagenfotos 26. Juni 2015. Quelle. Mainzer Stadtwerke AG
Energiepark Mainz Siemens Linde Stadtwerke Mainz Anlagenfotos 26. Juni 2015. Quelle. Mainzer Stadtwerke AG

Autor: Gottfried Hiesinger

2 Kommentare

  1. Niemand denkt dran, dass beim Laden im öffentlichen Raum bei 20% Ladesäulen 20% Dauerparkplätze verloren gehen, da die Ladeplätze nach dem Laden freigehalten werden müssen. Des weiteren wo sollen auf einen freien Platz Autos warten? Runden drehen?
    Das Wichtigste: die sogenannte Dritte Welt kann sich eine Kabelladeinfrastruktur nicht leisten und demzufolge nicht mitziehen. Wasserstoff sehr wohl und sogar selbst erzeugen. Zusätzlich anstelle Dieselgeneratoren bzw. -Kraftwerke mit Wasserstoff Eigenstrom erzeugen. Durch gewisse Wasserstoffeigenreserve ist ein totaler digitaler blackout nicht möglich. Heizung und Kühlung ist gleichzeitig mit Wasserstoff möglich. Überrascht hat mich die große Kapazität von Wasserstofftankfahrzeugen. So wären auch Tankschiffe problemlos.

  2. @Claus-Rüdiger Martin: Wir haben sowieso viel zu viel und viel zu große und zu schwere Autos.
    Und wieso haben Autobesitzer das Recht auf einen Parkplatz im öffentlichen Raum, der allen gehört?
    Ich darf ja auch nicht meine Wohnzimmermöbel einfach auf der Straße aufbauen. Wieso darf jeder Autobesitzer aber 8 Quadratmeter, die auch mir gehören, einfach so kostenlos nutzen? Für hässliche Kisten, die 23 Stunden am Tag nur ungenutzt rumstehen?

    Aber ernsthaft: Zum Wasserstoff:

    Wieviel Geld haben der Lobbyist Grube und die hier erwähnten Unternehmen der TELI dafür bezahlt, dass sie mit ihrem Geschwafel Journalisten einlullen sollen?

    Zur Sache: Mal an das Klima gedacht? Oder im Chemieunterricht geschlafen?

    Es wird natürlich Wasserstoff-Leckagen geben. Unvermeidlich.

    Die Folge: Geringste Mengen Wasserstoff gelangen in die Atmosphäre. Egal wie wenig: In der Troposphäre bildet sich dadurch mehr Ozon und mehr Wasserdampf, der ein besonders starkes Klimagas ist. Außerdem wird in der Stratosphäre weniger Methan abgebaut, weil H2 die OH-Radikale einfängt, die normalerweise das Methan reduzieren – Methan bleibt also länger in der Atmosphäre als dem Klima gut tut.

    Nur wenn es absolut keine H2-Leckagen gibt, könnte es einen Abkühlungseffekt geben.

    Wenn der Wasserstoffgehalt in der Atmosphäre aber nur um 1,5 ppm zunimmt, führt allein das schon zu einem Anstieg des Strahlungsantriebs 0,148 Watt pro Quadratmeter. Rechnet man dazu den Anstieg des Methans um 340 ppb, weil die Radikale beim Anstieg des H2 um 1,5 ppm entsprechend abnehmen, dann sind wir schon bei einem zusätzlichen Strahlungsantrieb von insgesamt 0,5 Watt pro Quadratmeter – was einer globalen Temperaturerhöhung von 0,43 Grad Celsius entspricht. Klingt wenig. Aber es geht inzwischen um jedes Zehntel Grad Temperaturerhöhung,, das wir vermeiden müssen.

    Und da sind noch gar nicht die CO2-Transportemissionen der H2-Tankschiffe drin. Denn nach IEA wird Deutschland 70 bis 80 Prozent des Wasserstoffs importieren müssen – neben China auch aus Saudi Arabien und Namibia, wo Menschen bereits heute erschossen werden, wenn sie ihr angestammtes Land nicht verlassen, damit auf ihrem Land die H2-Gewinnungsanlagen, die Pipelines, die Anlagen-Versorgungsstraßen und die Hafenbauten gebaut werden können.

    Neo-Kolonialismus pur.

    Und in so einem Verein ist Jean Pütz Mitglied? Ich hätte nicht gedacht, dass er es nötig hat.

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