Ungleichheit und Diskriminierung, Sexismus und Rassismus. Trägt die Wissenschaft dazu bei? Welche Mittel hat sie dagegen? TELI-Report von der 10. Weltkonferenz der Wissenschaftsjournalisten WCSJ 2017 in San Francisco.
Die Unterschiede und Spannungen in der globalen Wissenschaft zwischen Norden und Süden waren ein zentrales Thema auf der 10. Weltkonferenz der Wissenschaftsjournalisten in San Francisco. Mit über 1400 Besuchern war sie die bisher bestbesuchte.
Mandi Smallhorne aus Südafrika, Präsidentin der Föderation Afrikanischer Wissenschaftsjournalisten AFSJ und neugewähltes Mitglied im Vorstand der Weltföderation der Wissenschaftsjournalisten WFSJ, organisierte zu dem Thema ein Workshop mit dem Titel “Entkolonialisierung der Wissenschaft”.
Kolonialistische Wissenschaft
In ihrer Begrüßung dazu berichtete sie, dass der britische Imperialismus und Kolonialismus auf dem Kontinent auch von der britischen Wissenschaft und Forschung mitgetragen und vorangetrieben worden seien, etwa bei der Entwicklung effektiver Verwaltungsmethoden. Ob es nicht Zeit für Inklusion wäre, fragte sie, dass die Wissenschaft des Nordens und die des Südens sich als Partner verstünden und auf Augenhöhe miteinander umgingen?
Sie präsentierte eine Weltkarte, auf der die Länder nach der Anzahl ihrer wissenschaftlichen Forschungsergebnisse eingezeichnet sind. Der Süden der Welt, insbesondere Lateinamerika und Afrika, kommt darin kaum vor.
Organisches Ganzes
Einer der Panelisten, der südafrikanische Journalistenschüler Sibusiso Biyela, stellte seine Erfahrungen beim Schreiben eines Artikels über ein modernes Himmelsobservationsgerät, das MeerKAT Teleskop vor. Als er versuchte, den in Englisch verfassten Bericht in die Sprache der Zulu zu übertragen, ging das nicht. Er musste seinen Artikel völlig neu fassen, weil in seiner Heimatsprache die Worte und Begriffe fehlten. Nicht nur das, hier stießen zwei völlig unterschiedliche Vorstellungen vom Umgang mit der Welt aufeinander.
Der Zulu-Sprecher zitierte den Vorkämpfer für Menschenrechte, Nelson Mandela, mit den Worten: Der weiße Mann betrachtet das Universum “als gigantische Maschine, das durch Zeit und Raum rast, bis zu ihrer finalen Zerstörung”. In der Sicht der Afrikaner ist der Weltraum dagegen ein “organisches Ganzes, das sich zunehmend zu größerer Harmonie und Einheit” entwickelt.
Gesundheit durch Ayurveda
Andere Panelisten trugen weitere Facetten zu dem Thema bei. Darunter die Wissenschaftsjournalistin Padma Tata Venkata aus Indien, die ihrer Zuhörerschaft die 5000-jährige Geschichte von Forschung und Wissenschaft in Indien ins Gedächtnis rief.
Bei Gesundheit und Medizin gehe es immer um den ganzen Körper, der wie das Weltall bei den Afrikanern als organische Gesamtheit betrachtet wird, nicht als Maschine. Ein gutes Beispiel dafür sei Ayurveda und deren Wiederentdeckung in aller Welt.
Ignoranz des Nordens
In einer anderen Sitzung trug der argentinische Wissenschaftsjournalist Federico Kukso, wie Smallhorne ebenfalls neues WFSJ-Vorstandsmitglied, Beispiele für Diskriminierung in der Wissenschaft aus Lateinamerika bei. Spitzenforschung aus dem Süden werde vom Norden weitgehend ignoriert.
Beispiel Zika: Die Infektionskrankheit war in Südamerika lange bekannt, auch Warnungen davor sowie der Umgang damit, bevor sie nach Norden zog und in den USA Alarm auslöste. Die reagierten erst, wenn es bei ihnen selber brenne, sagte Kukso: “Sie hätten uns ja nur fragen müssen.”
Mehr Partnerschaft
Diskriminierung bezieht sich nicht nur auf Regionen, sondern auch auf das Geschlecht. Besonders haarig wird es, wenn man weiblich und schwarz sei, sagte die südafrikanische Bildungsministerin Naledi Pandor in einem unverblümten Redebeitrag über Rassismus und Sexismus in ihrer Heimat. Weniger als fünf Prozent der Doktoranden in Südafrika sind Frauen.
Als sie sich bei der Besetzung eines Postens unlängst für ausschließlich Frauen entschied, um ihre Benachteiligung bei Bewerbungen auszugleichen, hagelte es Proteste aus der Männerwelt. Die interne Diskriminierung setzt sich in den externen Beziehungen des Nordens gegenüber dem Süden fort. “Wir brauchen mehr Partnerschaft in der internationalen Wissenschaft und Wirtschaft”, verlangte die Ministerin.
Forschung teilen
Sie wurde unterstützt von Jordaniens Prinzessin Sumava bint el Hassan. Sie leitet das renommierte World Science Forum 2017 in diesen Tagen in ihrem Heimatland. “Wissenschaft ist der Schlüssel zu Frieden, Gesundheit, Wohlstand”, sagte sie. Forschung müsse wie in einer Familie geteilt werden. “Unwillige und unkooperative Forschungsorganisationen haben hier nichts verloren”, unterstrich die Prinzessin.