Mit den besten Wünschen für 2021

Hi,

allen denen, die sich hin und wieder hier auf den TELI-Webseiten und in der Wissenschaftsdebatte umschauen, sei ein spannendes, nach-, dwarsdenkliches1, neues Jahr 2021 gewünscht. Mögen die Ideen sprudeln, wie wir die Welt zumindest überlebbar hinbekommen, damit wir nicht schmerzhaft aus Desastern heraus neu lernen müssen.

2020 war das Jahr, in dem ein winziges, 60 bis 140 Nanometer großes Konglomerat von Ribonukleinsäure in einer Proteinhülle plötzlich alles durcheinander wirbelte. Der Name: SARS-CoV-2

Wissenschaft vs. Politik

Auch wenn die meisten Menschen über Wissenschaftler und Medien gut über die Corona-Krankheit, die das SARS-CoV-2-Virus auslöste, Bescheid wussten, sah es in den letzten Monaten eher so aus, als wollten die politischen Entscheidungsträger mit dem Virus verhandeln: Die Menschen machen ein wenig Lockdown und im Gegenzug gönnt ihnen das Virus ein wenig Ruhe. Das hat, wie wir wissen, nicht geklappt.

Alle Hoffnung liegt jetzt auf dem Impfstoff.

Citizen Science

An dieser Stelle sei ein wenig daran erinnert, dass auch Citizen Scientists an der Aufklärung der Virusstruktur mitgearbeitet haben. So beispielsweise bei Folding@Home.

Auch mit dem Computerspiel Foldit bekamen Interessierte die Möglichkeit, Wissenschaftlern bei der Aufklärung von SARS-CoV-2-Proteinen zu helfen. Mitgemacht haben dabei sogar ein paar Schüler:innen der Klasse 5a des Gymnasiums Immensee.

Wer und wo sind eigentlich die vulnerablen Gruppen?

Wer aber soll überhaupt zuerst geimpft werden? Die Reichen? Ja. So sieht es jetzt aus, wo die Impfkampagnen beginnen.

Zwar hieß es immer, dass die am meisten vulnerablen Menschen zuerst geimpft werden sollten. Aber gerade die leben zumeist in Afrika, in Südostasien und in Lateinamerika.

In den vergangenen Wochen, als Impftermine immer näher rückten, gerieten genau diese besonders Vulnerablen der Erde völlig aus dem Blickfeld. Für sie war es – sicher auch finanziell – aussichtslos, ein paar Millionen der am frühesten vorhanden Impfdosen abzubekommen.

Einmal mehr springt wieder das so viel gescholtene China ein. Das von Sinopharm entwickelte Vakzin beruht auf der klassischen Methode, bei der die Immunreaktion durch abgetötete Coronaviren ausgelöst wird. Die Wirksamkeit liegt nach Angaben des Unternehmens bei 79 Prozent. Bei den Vakzinen für den globalen Norden von Biontech-Pfizer und Moderna sollen sie dagegen bei 95 Prozent liegen. Aber was bleibt den armen Ländern anderes übrig, als nach den chinesischen und auch den russischen Varianten zu greifen, wenn die Reichen sie im Stich lassen?

Nicht, dass ich das chinesische Staatssystem besonders sympathisch finde – aber das Land füllt sehr oft genau die Lücken aus, die wir in den reichen Ländern übersehen oder einst überhaupt erst durch ein ungerechtes Wirtschaftssystem geschaffen haben. Das COVAX-Programm der Weltgesundheitsorganisation will zwar weltweit für einen fairen Zugang zu Impfstoffen sorgen, doch John Nkengasong, der Leiter der afrikanischen Seuchenschutzbehörde (CDC) hat ausgerechnet, dass die zugesagten Impfdosen allenfalls für 20 Prozent der Bewohner Afrikas ausreichen.

Eine Gruppe internationaler Ethiker um den Medizinethiker Ezekiel Emanuel hat bereits im September 2020 eine weit gerechtere Vorgehensweise vorgeschlagen. Unter anderem schlagen sie vor, dass die Länder und Menschen bevorzugt werden, bei denen ein gesamtwirtschaftliche Verbesserung aus der Armut heraus zu erwarten ist und bei denen Menschen durch eine Impfung von Armut verschont blieben.

Über den Tellerrand hinaus denken

Vielleicht lohnt es sich nach dieser Jahreswende den Blick vielleicht noch mehr über unseren engen nationalen und kontinentalen Tellerrand hinaus schweifen zu lassen. Wir sollten die wirklich empfindlichen, die tatsächlich um ihr Leben kämpfenden Menschen im globalen Süden mehr in den Blick nehmen. Nicht zu vergessen die Flüchtlinge, die aus prekären Verhältnissen in ihren Heimatländern kommen und in Europa in enge, menschenunwürdige Lager gesperrt werden – ohne Schutz dem SARS-CoV-2-Virus ausgesetzt.

In diesem Sinne weiterdenken. Das wünscht
/Hanns-J. Neubert
TELI-Vorstandsmitglied


  1. Die Zusammensetzung aus "quer" und "denken" ist zwar in Verruf geraten, aber Nord- und Niederdeutsch bieten synonyme Auswege: "dwars" und "dweer". 


Bild: Alissa Eckert, MSMI; Dan Higgins, MAMS. Gemeinfrei. Quellen: Wikimedia-Commons und CDC

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