Am 6. November 2019 fand im PresseClub München die Jubiläumsfeier zum 90-jährigen Bestehen der TELI statt. Rund 50 Zuhörer erlebten eine spannende Debattenveranstaltung. Sie begann mit Statements zu den Themenkreisen
- Verantwortung und Vertrauen in Wissenschaft, Forschung und Technik,
- die Rollen von Forschenden, Laien und Öffentlichkeit, und
- Integrität in Forschung und Journalismus.
Den einleitenden Vortrag von Prof. Peter Finke hatte der Wissenschaftsjournalist Wolfgang Goede journalistisch-professionell verdichtet. Denn leider konnte Finke seinen Vortrag nicht selbst halten, da er kurz zuvor erkrankt war. Das vollständige Manuskript kann aber hier heruntergeladen werden.
Verantwortung der Wissenschaft
Finke ging es in seinem Beitrag unter anderem auch um die Verantwortung der Wissenschaft – und um die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich dieser Verantwortung nicht, oder nur ungern stellen. Das wurde zu einem Thema, das die Zuhörer in der nachfolgenden Diskussion in den letzten 20 bis 30 Minuten noch einmal stark beschäftigte.
In seinem Manuskript betonte Finke, dass wir uns in einer Phase befinden, die durch den englischen Philosophen und Juristen Francis Bacon geprägt wurde, aber auch durch den Chicagoer Physikhistoriker Thomas S. Kuhn und durch das wissenschaftliche Paradigma der Modellierung und der Analyse, d.h., das immer tiefere Eindringen in die kleinste Details, bei dem es weniger um eine Synthese geht.
Genau das kritisierte Finke und forderte neue Rollen – und zwar für alle Akteure, sowohl für die Wissenschaftler, als auch für die Laien, die mit Wissenschaft umgehen, ob sie wollen oder nicht.
Aber auch für die Journalisten als dritter Gruppe forderte er das. Mit Blick auf die Journalisten haben wir später noch von Jean Pütz ergänzend das Plädoyer bekommen, sie mögen bitte auch Didaktiker werden – Journalisten als Didaktiker.
Transdisziplinarität, Zivilgesellschaft, Sprache
In den anschließenden Kurzstatements von Prof. Dr. Martina Schraudner, Dr. Rupert Graf Strachwitz und dem Wissenschaftsjournalisten Jean Pütz wurden drei Faktoren besonders herausgegriffen.
Einmal die Transdisziplinarität als ein Ansatz, der nicht mehr bedeutet, dass wir mit Chemikern und Physikern kommunizieren, und vielleicht noch mit einem Biologen dabei, sondern tatsächlich Wissenschaftsgenres überschreitend. Also: Sozialwissenschaftler, Geisteswissenschaftler, Naturwissenschaftler, Ingenieurinnen und Ingenieure, Akteure außerhalb der Wissenschaft, als Laien.
Von dort aus hat das Podium mit Strachwitz dann den Schritt in die Zivilgesellschaft gewagt, die auch an diesem Diskurs teilhaben sollte und in dieser transdisziplinärer Auseinandersetzung den gemeinsamen Weg beschreiten sollte.
Schraudner wies darauf hin, dass sich in den vergangenen zehn Jahren vor allem in der Wissenschaftsförderung in dieser Richtung schon viel getan habe. Große Forschungsprojekte oder auch Forschungsanträge bei der EU müssen heute immer auch die Zivilgesellschaft einbeziehen und oft auch Sozial- und Geisteswissenschaftler mit Naturwissenschaftlern zusammenbringen.
Das Ganze fasste Pütz in einem Plädoyer zusammen, in dem er daran erinnerte, wie die Kommunikation tatsächlich funktionieren kann. Und zwar in jeder Altersstufe von jedem Wissensstand aus, wenn man sich nur die Mühe macht, sich dieser Sprache anzunähern, mit der man hier kommunizieren will.
Integrität und Beschleunigung
In der Plenumsdiskussion ging es beim Spannungsfeld zwischen „Vertrauen“ und „Verantwortung“ einerseits und der Frage „Haben wir tatsächlich einen Vertrauensverlust, eine Misstrauensgesellschaft“ andererseits um die Kritikfähigkeit und den Mut, auch Wissenschaftler zu kritisieren. Das wäre tatsächlich eine Haltung, die wir dringend brauchen – nicht mehr die Ehrfurcht vor dem Katheder, dem man nicht mehr kritisch gegenüber stehen kann.
Als Konsens führte Prof. Dr. Anke van Kempen in ihrer Zusammenfassung beides zusammen: Sowohl die Kritikfähigkeit sei nötig, als auch ein gewisses Vertrauen in Mechanismen, die sicherstellen, dass die Wissenschaft mit und ohne Laien integer ist.
Die Frage ist allein, wie kann man diese Integrität – in der Diskussion fiel auch das altmodische Wort Wahrhaftigkeit
– so leben, dass sie auch sichtbar und wahrnehmbar und, ja, wieder glaubhaft wird für weite Teile der Gesellschaft. Denn bei vielen stellen sich allein beim Wort Integrität die Nackenhaare auf, weil sie das schon wieder in eine Misstrauensschleife schicken würde.
Die Diskussion ging dann nochmal eine Umdrehung weiter.
Neben den Problemen mit der Integrität haben wir ja gleichzeitig eine kontinuierliche Beschleunigung. Und zwar eine Beschleunigung, von der wir noch gar nicht absehen können, wohin sie uns führt, die uns aber zu einer kompletten Neustruktur der Gesellschaft führen könnte.
Beispiel Fridays for Future: Wir wissen noch gar nicht, ist das jetzt nobelpreiswürdig oder sind das schulschwänzende Schlauberger aus der Oberstufe, die perfekt Englisch sprechen. Wie gehen wir mit dieser Jugend um und was bedeutet das für unsere zukünftige Gesellschaft?
Ethik und das Anliegen der TELI
Relativ spät kam die Frage nach der Ethik in der Diskussion, eine Frage, die den Diskutanten und Zuhörern allerdings wohl die ganze Zeit auf einer zweiten Spur durch den Kopf ging.
Was bedeutet das eigentlich für Kommunikatoren, für Journalisten, für Forschende, Lehrende, Großeltern, Eltern, Onkel, Tanten, für Menschen, die sich in irgendeiner Form ethisch verorten?
Diese Frage wurde in der Diskussion nicht gelöst.
Aber die TELI hatte sich vor 90 Jahren einst mit dem Anspruch gegründet, genau zu dieser Frage etwas beizutragen. Der TELI-Vorsitzende Arno Kral führte in seiner Einleitung aus, dass die TELI Wissenschaft in die Gesellschaft tragen will – für die Öffentlichkeit. So formulierte das einst auch Albert Oekl, der Erfinder der Öffentlichkeitsarbeit. Es gehe darum, für die Öffentlichkeit, in der Öffentlichkeit und mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren: Für, in und mit.
Van Kempen brachte das in Ihrer Zusammenfassung zum Abschluss der Debatte auf den Punkt: „Das lässt sich sehr, sehr mühelos in unsere heutige Zeit übersetzen, wenn man das nur möchte. Wir würden heute sagen: Wir brauchen Transparenz. Wir brauchen Relevanz. Wir brauchen Dialog.“
Die TELI-Jubiläumsveranstaltung in voller Länge
Der Text-Bericht beruht auf der Transkription der mündlichen Zusammenfassung von Prof. Dr. Anke van Kempen.
Portraitfotos: Peter Knoll, außer: Peter Finke: Barbara Bayreuther-Finke
Beitrags- bzw. Gruppenbild: Vera Sander, Video: LFM Lokal-Fernsehen-München.