Wissenschaft ist, wenn man trotzdem lacht

Bruder Bibianus: zerpflückte aufgeblasene Modewörter in der Wissenschaft (c) acatech

Die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften sucht neue Begegnungsforen. Die Fastenzeit begann acatech mit einem Experiment. Statt nerdiger Wissenschaftsvorträge verspottete sie sich selbst – „sauba derbleckt“, lobt der Bayer.

Star des Abends in der Münchner acatech Zentrale war der renommierte Poetry Slammer Jaromir Konecny, promovierter Chemiker der TU München und passionierter Tscheche. Er las der versammelten Wissenschaftlergemeinde ordentlich die Leviten. Dafür fand er ausgiebig Stoff im verklemmten Umgang der Akademie mit den sozialen Netzwerken und im sprachlich unbeholfenen Fachjargon ihrer Publikationen.

Poetry Slammer Jaromir Konecny, Doktor der Chemie der TUM: machte sich über gespreizten Wissenschaftsfachjargon lustig (c) acatech

Kühlflüssigkeitsüberlaufbehälter

„Bauten acatech-Techniker Barrikaden auf, um die digitale Revolution in der Wissenschaftskommunikation abzuwehren?“, stichelte Konecny. Unter Hashtag #acatech fänden sich bei Instagram nur philippinische Flugzeuge sowie Tegernseer Helles und bei Facebook fehle jede Spur von der offiziellen deutschen Technikakademie. Hm …

… und lästerte: Die Akademien wollten ein Verhaltenskodex für Web und Social Media entwickeln. Wie kann man aber Regeln für Systeme entwickeln, die man selbst meidet?, wollte Dr. Konecny wissen. „Das ist, wie wenn ich als Tscheche, der keine deutsche Umlaute aussprechen kann, einem Deutschen beibringen will, Wörter voller Umlaute auszusprechen“, etwa „KÜhlflÜssigkeitsÜberlaufbehÄlter!“

Erneuerbare sind Fake News!

Frotzelte der Naturwissenschaftler in der Bütt: Die acatech Stellungnahme „Social Media und digitale Wissenschaftskommunikation“ hatte er nur mit Hilfe des Dudens entschlüsseln können. „Die erweiterten digitalen Kommunikationsoptionen tragen erhöhten dialogischen und partizipativen Ansprüchen Rechnung“, heiße auf Deutsch: „Dank Facebook können immer mehr Leute mitreden und mitmachen.“

… und das Wissenschaftspublikum amüsierte sich köstlich über die Spitzen (c) acatech

Und fragte: „Wie soll die Wissenschaftskommunikation gegen Fake News und Pseudowissenschaften gewinnen, wenn sie selbst schon leicht vermittelbare Botschaften so kompliziert vermittelte, dass keine Sau sie verstehe, hä?“

Was für ein Blödsinn, den Begriff „erneuerbare Energien“ so kritiklos in den acatech-Publikationen zu übernehmen, fand Konecny: „Erneuerbare Energien sind Fake News, die durch die Politik geistern – Energie kann man nicht erneuern wie die Bettwäsche, Energie kann man nur umwandeln.“

Disruptives Innovations-BlaBla

Vor Konecny hatten die acatech-Gastgeber sich launig des kabarettistischen Repertoires bedient und daran geübt. Etwa acatech Präsident Dieter Spath mit einer „Ballade vom großen Durst“; acatech-Referent Marc-Denis Weitze über seinen Dauerkrieg mit Autokorrekturprogrammen, die ihrerseits einen Kreuzzug gegen die korrekte Schreibweise von DNA führen.

Das satirische Quartett (v.l.n.r.): Patrick Hartmann, Dieter Spath, Marc-Denis Weitze, Jaromir Konecny (c) acatech

Ein Hingucker sein Kollege Patrick Hartmann, der als Bruder Bibianus im Mönchsgewand erschien. Er erhielt wie alle anderen Derblecker viele herzliche Lacher, als er das Modewort „disruptive Innovation“ an den Pranger stellte und es genussvoll etymologisch auseinandernahm.

Zweisprachige Zusammenfassung der acatech-Am-Dienstag-Veranstaltung, auf „boarisch“ sowie Deutsch

S. auch: „Lachen über Wissenschaft wird zum Programm“

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