Podiumsdiskussion der TELI zur Rolle des Krieges bei technischen Entwicklungen

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Am Dienstag, den 27.06.2023, hatte die TELI (Technisch-Literarische Gesellschaft) e. V. seine Mitglieder sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger zu einer Podiumsdiskussion mit dem Motto „Der Krieg: Technik-Treiber oder Fortschritt-Verhinderer?“ geladen.
Die drei Referenten vor einer Wandtafel. Von links: Dr. Frank Dittmann, Dr. Robert Kluge und Peter Knoll.
Kriege können Technik-Treiber UND Fortschritt-Verhinderer sein – zu diesem Ergebnis kam der TELI-Jour-fixe im Deutschen Museum. Von links: Dr. Frank Dittmann, Dr. Robert Kluge und Peter Knoll. Foto: Katrin Richthofer

Unter dem Eindruck des mit Waffengewalt ausgetragenen Konflikts zwischen Russland und der Ukraine griff die TELI dieses Thema noch einmal auf, dem sie bereits 2014 – einhundert Jahre nach Ausbruch des ersten Weltkriegs – eine Veranstaltung gewidmet hatte.

Als Referenten hatte die TELI gewonnen:

  • Peter Knoll (Dipl.-Politikwissenschaftler und TELI-Vorstandsmitglied) mit dem Impulsreferat „Krieg und gewaltsamer Konflikt. Ab wann ist ein Krieg ein Krieg?“. Peter Knoll übernahm zudem die Moderation
  • Dr. Frank Dittmann (Abteilungsleiter Energietechnik, Starkstromtechnik, Automatisierungstechnik Deutsches Museum) mit dem Impuls-Vortrag „Der Krieg: Bremse oder Beschleuniger der Energiewende?“ und
  • Dr. Robert Kluge (Luftfahrt-Experte und Kurator für moderne Luftfahrt) mit dem Thema „Der Krieg und dessen Einfluss auf die Mobilität unter besonderer Berücksichtigung der Luftfahrt anhand neuerer Beispiele“

Als langjähriger IT-Journalist und Politikwissenschaftler stellte Peter Knoll sein Eingangsreferat in den Dienst der Klarheit der Begriffe:

Knoll: „Putin spricht bis heute von einer „Spezial-Operation“ gegen die Ukraine. Er will sich durch die Nicht-Erklärung des Kriegs den – insbesondere innenpolitischen – Verpflichtungen entziehen.“ Eine Definition des Begriffes „Krieg“ sei erforderlich, denn dieser Begriff werde geradezu inflationär gebraucht. “Die UN-Satzung selbst spricht nur von „bewaffneten Konflikten“. Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK) biete mit ihrem Konfliktbarometer die, seiner Auffassung nach, beste Abgrenzung: „Das HIIK unterscheidet zwischen fünf Arten von Konflikten: Disput, nicht-gewaltsame Krise, gewaltsame Krise, begrenzter Krieg und Krieg.“ Je nachdem, ob leichte oder schwere Waffen eingesetzt werden, wie hoch die Zahl der Beteiligten, die Opferzahl, die Zahl der (Binnen-) Flüchtlinge und das Ausmaß der angerichteten Zerstörungen ist, gebe es dafür Punkte. Wenn beispielsweise pro Monat mehr als 60 Tote zu beklagen wären, mehr als 20.000 Vertriebene monatlich gezählt und zudem schwere Waffen wie Panzer oder Hubschrauber eingesetzt werden, sei die Kriegsschwelle eindeutig überschritten.

Seinen Impulsvortrag eröffnete Dr. Frank Dittmann mit der These, der erste Weltkrieg habe die Verbreitung für Verbrennungsmotoren gepusht, und argumentierte, dass damals die Kraftfahrzeuge zu je einem Drittel einen Elektro-, Dampf- oder Verbrennungs-Antrieb aufgewiesen hätten, es aber keine Elektro-Panzer gegeben habe. So habe der erste Weltkrieg ganz viel für die Verhinderung der Solar-Energie getan.

Luftfahrt-Experte Dr. Robert Kluge ging in seinem Impulsreferat der Frage nach, ob Entgrenzung Frieden stifte, weil sie ja Grenzen überschreite. Aber er wusste auch zu berichten, dass bereits elf Jahre nach dem ersten Ballon-Flug der Montgolfiere der erste militärische Einsatz im amerikanischen Bürgerkrieg erfolgt sei, dass Ballone im ersten Weltkrieg beliebtes Aufklärungsmittel gewesen seien und dass lenkbare Luftschiffe zwischen 1914 und 1918 mehr als 100 mal zur Bombardierung von London genutzt worden seien. Nebenbei räumte Dr. Kluge das Vorurteil ab, dass Wasserstoff wegen der Hindenburg-Katastrophe als Traggas unsicher sei: Die Graf Zeppelin sei 1,3 Millionen Kilometer unfallfrei gefahren.

Den Beginn der friedensstiftenden Entgrenzung durch die zivile Luftfahrt sah Kluge 1949 – damals sei mit der Comet das erste Jet-Zivil-Flugzeug in Betrieb gegangen. Heraklits These „Der Krieg ist der Vater aller Dinge“ sieht Dr. Kluge indes wissenschaftlich widerlegt: „Die gezielte zivile Förderung der Luftfahre wäre effizienter gewesen“, das gelte auch für den Elektro-Flug. Den Elektro-Flug wiederum befördere der russische-ukrainische Krieg, durch den Drohnen einen „ganz massiven Entwicklungssprung“ gemacht hätten. Anders als Dr. Dittmann für den Bereich der Sonnenergienutzung sieht Dr. Kluge den Krieg im Bereich der Luftfahrt durchaus als „Entwicklungs-Beschleuniger“.

Die folgende Diskussion mit den TELI-Gästen startete prompt mit der Frage nach elektrisch betriebenen Lufttaxis. „Egoneering“ sei das, „publicity-tauglich, aber nicht nachhaltig“. Ein Teilnehmer verwies auf die Bedeutung des Laser-Entfernungs-Messgeräts für den Leopard-Panzer, der die Entwicklung von Chip-Technologien ganz massiv befördert habe. Eine Teilnehmerin fragte, ob die Normierung von Technologien eine Innovationsbremse darstelle, eine Frage, die Dittmann mit „das hängt von der Länge der Innovationszyklen ab“ beantwortete. Ein weiterer Teilnehmer warf ein, dass sich Dual-Use von Technik im militärischen und zivilen Bereich grundsätzlich nicht verhindern lasse. Dittmann folgte in diesem Punkt einem pragmatischen Ansatz: Das sei Sache der Zuschreibung.

In seinem Schlusswort konstatierte Peter Knoll: „Es gibt kein Entweder-Oder: Der Krieg kann beides sein: Technik-Treiber UND Fortschritts-Verhinderer.“ Wirtschaftliche und politische Stabilität sowie die Risikobereitschaft seien ebenfalls wichtige Faktoren für die Entwicklung neuer Technologien und verwies auf das Militär: „Das Bundeswehrbeschaffungsamt beschäftigt mehr als 11.000 Personen. Deutschland zählt auch nach 1990 immer zu den Top-Ten-Ländern mit den weltweit höchsten Militärausgaben, rangiert aber im Vergleich der militärischen Stärke weit abgeschlagen hinter Ländern wie Israel, die wesentlich weniger als die Hälfte ausgegeben haben.“ Die deutsche Tendenz, alles und jedes Detail bis zur kleinsten Schraube bürokratisch perfekt regulieren zu wollen, sei DIE Innovationsbremse schlechthin.

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