TELI-Jour-fixe über KI: Geist aus der Flasche

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Chancen und Risiken der aktuellen KI-Entwicklung waren Thema einer gut besuchten Podiumsdiskussion der TELI im Münchner PresseClub. Nach zwei tiefgründigen Impulsvorträgen entwickelte sich eine lebhafte Diskussion mit klaren Forderungen an die Politik.

KI-Podiumsdiskussion der TELI: Roland Schäfer (links) diskutierte mit Arno Kral im PresseClub, Jürgen Brinkmann war online dazugeschaltet.
Beim Jour fixe der TELI warnte Roland Schäfer (links) vor den Gefahren durch KI. Arno Kral moderierte die hybride  Präsenz- und Online-Veranstaltung, zu der Jürgen Brinkmann (oben) live per Videokonferenz zugeschaltet war.

Von Peter Knoll

München – Der Diplom-Informatiker Jürgen Brinkmann, Head of Digital Transformation and Operations bei der Münsteraner Firma W&H, erläuterte in seinem Impulsvortrag die Entwicklung der KI. Aus Münster per Videokonferenz zugeschaltet, erläuterte Brinkmann die Funktionsweise der aktuell verwendeten KI-Systeme und stellte insbesondere die zu erwartenden Vorteile heraus.

KI um Wandel der Zeit
Turbo gezündet: Transformer beschleunigen seit 2017 die KI-Entwicklung. Die gut besuchte TELI-Veranstaltung fand im PresseClub München statt und wurde online gestreamt.

Seit 2017 habe sich mit der Einführung von Transformern ein explosives Wachstum eingestellt. Die Transformer-Technologie zeichne sich durch drei Kernelemente aus: Self-Attention, Parallelverarbeitung und eine Encoder-Decoder-Struktur. Dank Self-Attention sei es möglich geworden, die Bedeutung mehrerer Wörter in einem Satz zu betrachten und somit kontextabhängig zu interpretieren. Die Parallelverarbeitung, die die Rechenpower moderner Grafikkarten nutzt, ermögliche die schnelle und effiziente Verarbeitung großer Datenmengen. Der Encoder wandelt die Eingabedaten in ein internes Format um, der Decoder nimmt diese Informationen und übersetzt diese in sinnvolle Ausgaben.

Die KI brauche riesige Datenmengen und Training, um sinnvoll zu arbeiten. Programme wie ChatGPT setzen dabei auf ein „Großes Sprachmodell (LLM)“; zu erwarten seien „signifikante Effizienzsteigerungen“: Laut einer Studie der Harvard Business School führe die Nutzung von ChatGPT zu einer Qualitätssteigerung von über 40 Prozent, die Geschwindigkeit erhöhe sich um 25 Prozent und die Zahl der abgeschlossenen Aufgaben steige um 12 Prozent. In die gleiche Kerbe stößt eine von Brinkmann zitierte Accenture-Studie, die bis 2035 länderspezifisch unterschiedlich starke Steigerungen der Arbeitsproduktivität vorhersagt – beispielsweise 29 Prozent für Deutschland, im Fall von Schweden sogar von 37 Prozent.

Für Verblüffung sorgte Jürgen Brinkmann mit einer Studie des JAMA Internal Medicine Journal, die ChatGPT sogar ein deutlich besseres Einfühlungsvermögen bescheinigt als  es Ärztinnen und Ärzte hätten.

Brinkmanns Zukunftsvision und Fazit: „In wenigen Jahren wird die KI DIE Schnittstelle zu allen möglichen technischen Geräten sein. Massive Effizienzgewinne in allen Branchen werden zu einer deutlichen Steigerung von Lebensqualität führen.“

Das Video zum Vortrag von Jürgen Brinkmann finden Sie hier.

„KI hat das menschliche Betriebssystem gehackt.“

Wesentlich kritischer als der Diplom-Informatiker Brinkmann betrachtete der zweite Referent im TELI-Jourfixe, Diplom-Journalist Roland Schäfer, die Entwicklung der KI ­– auch, aber nicht nur, weil er dadurch seinen eigenen Berufsstand in Gefahr sieht. „Die KI hat das „Betriebssystem“ des Menschen gehackt, die Basis menschlicher Kultur – die Sprache“. KI  lerne schneller und mehr als der Mensch und vergesse nichts.

Mit der zum Zeitpunkt der Veranstaltung aktuellsten Version, ChatGPT-4 Turbo, habe sich ein gewaltiger Entwicklungssprung gezeigt: „GPTs werden zur Arbeitsumgebung für alle Tasks, zum persönlichen Assistenten und Vertrauten, der auf Deine Stimme hört und mit Dir spricht – und alles über Dich und die Welt weiß“, führte der aus Münster angereiste Schäfer aus. Dadurch entstehe eine „ganz persönliche Filterblase“.

Manipulationen der Wählerinnen und Wähler, wie sie besonders in den USA seit einigen Jahren zunehmend zu beobachten sind, Stichwort Qanon, seien Tür und Tor geöffnet. „Eine sachliche politische Diskussion ist sinnlos und sogar kontraproduktiv, wenn auf der anderen Seite ein KI-Bot sitzt. Dieser wird durch Deine Argumente nur noch besser“, so der Journalist, der die Demokratie durch KI akut gefährdet sieht und eine Vereinsamung des Menschen befürchtet. Längerfristig bestehe sogar eine existenzielle Bedrohung der Menschheit durch KI, etwa durch nicht mehr von Menschen beherrschbare Kampf-Drohnen oder Kamp-Roboter.

Seine Thesen belegte der Journalist und PR-Berater mit zahlreichen Beispielen aus den sozialen Netzen.

Übernimmt die KI die Kontrolle über die Menschheit?
Gefahrenquelle KI: Die rasante Entwicklung der KI könnte letztlich dazu führen, dass sie die Kontrolle über die Menschheit übernimmt. Bereits heute besteht durch KI eine akute Demokratie-Gefährdung.

Wirkungsvolle KI-Kontrolle gefordert

Als Konsequenz daraus leitete Roland Schäfer eine Reihe von Forderungen ab, die die anwesenden TELI-Mitglieder und weitere Interessierte in der auf Vorträge und Fragerunde folgenden, vom TELI-Vorsitzenden Arno Kral geleiteten Diskussion, nachdrücklich unterstützten:

  • Deklarationspflicht für gefährliche KI-Inhalte
  • Rechtliche Verfolgung von Fake-News, ähnlich gefälschter Banknoten
  • Internationale Zusammenarbeit, um potentiell gefährliche KI einzuhegen
  • Ausgewogene Mittelverteilung in der KI-Entwicklung, Gleichgewicht der Risikoforschung
  • Moratorium für Einsatz und Entwicklung von Kampfrobotern
  • Aufklärung auch über die Risiken der KI auf allen Ebenen in der Bildung, etwa in Schulen
  • Intensivierung des Medientrainings, um den Wert von Nachrichten besser einstufen zu können

Ob sich diese Forderungen auch realisieren lassen – darüber herrschte freilich gehörige Skepsis: Schäfer: „Der Geist ist aus der Flasche und wir kriegen ihn nie wieder da rein.“

Das Video zum Vortrag von Roland Schäfer finden Sie hier.

Im Nachgang dieser hybriden Präsenz- und Online-Veranstaltung waren sich alle Anwesenden einig, dass das KI-Thema weiterhin durch die TELI aufgegriffen und vertieft werden soll.

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