17 Stunden vor Beginn hat die Universität Hamburg ein öffentliches Klimasymposium zum Thema „Städte im Klimawandel“ mit fadenscheinigen Gründen verboten. Die TELI hatte die Veranstaltung ideell unterstützt. Die eingeladenen und zum Teil bereits angereisten Redner waren erbost, Besucher enttäuscht.
Am 5. und 6. Februar 2020 sollte im Geomatikum der Universität Hamburg das Symposium „Städte im Klimawandel“ stattfinden. Die Leitung hätte der international renommierte Klimaforscher Hartmut Graßl gehabt. Um die Organisation hatte sich Jose Lozan gekümmert, der Herausgeber der 18-bändigen Buchreihe „Warnsignal Klima“.
In den vergangenen Jahren fanden 10 dieser öffentlichen Klimasymposien unter derselben Leitung und Organisation erfolgreich und ohne Probleme an der Hamburger Universität statt. Jose Lozan wurde für seine Verdienste um die Klimabuchreihe und die -symposien in Hamburg sogar mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.
Die Zielgruppe für die Bücher und die Symposien war immer auch die Öffentlichkeit. So nahmen beispielsweise auch Schulklassen regelmäßig an den Veranstaltungen teil.
Aus dem Programm, das nun nicht mehr realisiert werden konnte, geht hervor, dass unter den Rednern und Präsentatoren viele der bekanntesten und renommiertesten Klimaforscher Deutschlands waren.
Lozan hatte das Symposium zusammen mit Stabsstelle Tagungsmanagement und Hörsaalplanung der Universität auf den Weg gebracht. Der entscheidende Mitarbeiter wurde jedoch krank. Sein Stellvertreter entdeckte jedoch einen bürokratischen Formfehler, ein fehlendes, neu eingeführtes und für die früheren Veranstaltungen nicht benötigtes Dokument, das er zum Anlass nahm, das Symposium zu verbieten. Es ging wohl um den Brandschutz, ein offensichtlich vorgeschobenes Argument, denn aus welchem Grund hätte die Brandgefahr bei einem Symposium größer sein können, als in den benachbarten Hörsälen, in denen gleichzeitig die normalen Lehrveranstaltungen weiter stattfanden.
Die Sache schaukelte sich auf, als sich erste Redner und Besucher am ursprünglichen Beginn des Symposiums vor der verschlossenen Hörsaaltür einfanden. Der Campusmanager begegnete Graßl, der das Klimasymposium leiten sollte, unverschämt und respektlos. Mehr noch, er setzte den ehemaligen parlamentarischen Staatssekretär im Umweltministerium, Michael Müller, vor die Tür und erteilte ihm Hausverbot. Müller sollte die Eröffnungsrede halten.
Den Universitätspräsidenten haben inzwischen mehrere Beschwerdeschreiben der eingeladenen Redner erreicht, aber auch von Schulen und enttäuschten Teilnehmern.
Die TELI hat sich ebenfalls mit einem Protestschreiben an den Universitätspräsidenten gewendet:
Verbot des öffentlichen Symposiums „Städte im Klimawandel“
Sehr geehrter Herr Prof. Lenzen,
wir halten es für einen skandalösen Vorgang, dass Sie das für den 5. und 6. Februar 2020 geplante öffentliche Symposium „Städte im Klimawandel“ aus der Reihe „Warnsignal Klima“ aus äußerst fadenscheinigen Gründen untersagten, dazu noch äußerst kurzfristig 17 Stunden vor Beginn.
Das Symposium stand unter der Leitung des weltweit renommierten Klimaforschers Prof. Hartmut Graßl, bis zu seiner Emeritierung 2005 Professor an Ihrer Universität und Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie, in den 1990er Jahren Direktor des Weltklimaforschungsprogramms, sowie einst Mitglied des Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen.
Die Organisation oblag Dr. Jose Lozan, der für seine 18-bändige Buchreihe „Warnsignal Klima“ und seine Reihe von Klima-Symposium nicht nur öffentliche Förderungsmittel erhielt, sondern ihm wurde für das Gesamtprojekt jüngst auch das Bundesverdienstkreuz verliehen. Die zehn früheren öffentlichen Symposium, ebenfalls unter der Leitung von Prof. Graßl und organisiert von Dr. Lozan, konnten problemlos an Ihrer Universität stattfinden.
Warum jetzt diese Kehrtwende?
Besonders empörend war in diesem Zusammenhang die respektlose Behandlung von Prof. Graßl durch den Campusmanager und das von diesem ausgesprochene Hausverbot gegen den Eröffnungsredner Michael Müller, den ehemaligen Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und ehemaligen Bundestagsabgeordneten. Das laut und öffentlich geführte Telefonat der Universitätsmitarbeiter mit der Polizei war völlig unangemessen und geradezu unverschämt.
Für eine Universität, die ihren Exzellenzstatus auch dem Klima-Exzellenzcluster CLICCS verdankt, ist die Absage beschämend.
Sie, Herr Prof. Lenzen, haben damit gezeigt, dass Ihnen der Dialog mit den Hamburgern und Hamburgerinnen nach dem Ende des Jubiläumsjahres 2019 kein „besonders Anliegen“ mehr ist, wie Sie noch in Ihrem Grußwort zum 100. Geburtstag der Universität Hamburg behaupteten.
Mitglieder der TELI (Technisch-Literarische Gesellschaft), der 1929 gegründeten und damit ältesten Vereinigung von Wissenschafts- und Technikkommunikatoren und -journalisten haben das Projekt „Warnsignal Klima“ seit Jahren begleitet und waren diesmal auch Unterstützer des von Ihnen verbotenen öffentlichen Symposiums.
Wir halten das Verbot angesichts der Klimakrise und der wertvollen Klimaforschungsarbeiten an Ihrer Universität für schizophren. Die Universität hat sich damit nicht nur gegenüber den eingeladenen hochkarätigen Vortragenden blamiert, sondern auch gegenüber den Medien und der Öffentlichkeit.
Wir bitten um Aufklärung des Sachverhalts und Ihre Stellungnahme. Eine Kopie dieses Schreibens geht an Prof. Graßl und Dr. Lozan.
Mit freundlichen Grüßen
Für den TELI-Vorstand:
Hanns-J. Neubert
Hier die Antwort des Kanzlers Martin Hecht der Universität Hamburg vom 21. Februar 2020:
Kurzfristige Absage des Symposiums „Städte im Klimawandel“
Sehr geehrter Herr Neubert,
am 5. Februar 2020 musste das Symposium „Städte im Klimawandel“ kurzfristig abgesagt werden. Das Präsidium bedauert die eingetretene Situation sehr. Anders als bei vergleichbaren Veranstaltungen lag für die Tagung „Städte im Klimawandel“ seitens des Veranstaltungsmanagements keine Freigabe zur Durchführung der Tagung vor.
Tatsächlich sind die Tagungsaktivitäten der Verwaltung erst am Morgen des ersten Veranstaltungstages aufgefallen. Durch Herrn Dr. Lozán, ein nicht an der Universität beschäftigter Wissenschaftler, sind Tagungsinfrastrukturen in einer Art und Weise auf den Foyerflächen aufgebaut worden, die nach geltenden Festlegungen zur Durchführung von Veranstaltungen, insbesondere unter Brandschutz- und Sicherheitsaspekten, in keiner Weise zu dulden sind. Herrn Dr. Lozán war es aus mir nicht erklärlichen Gründen in der Situation nicht möglich, Anpassungen so durchzuführen, dass die Tagung in modifizierter Form hätte stattfinden können. Bedauerli- cherweise musste die Hausverwaltung darauf bestehen, dass die Tagung in der vorgesehenen Form nicht durchgeführt wurde.
Die Konsequenzen für Veranstalter, Sprecherinnen und Sprecher wie auch für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist ausgesprochen misslich. Ich bitte dafür um Entschuldigung. Wir stimmen uns derzeit mit der Fakultät und dem Fachbereich Geowissenschaften eng ab, damit es nicht wieder zu einer vergleichbaren Situation kommt. Ebenso sprechen wir mit der Fakultät und dem Fachbereich über die Möglichkeit der Wiederholung des Symposiums.
Sollten bei Ihnen Reisekosten bzw. Übernachtungskosten für die Tagung am 5./6. Februar 2020 angefallen sein, bietet die Universität an, diese zu übernehmen. Bitte senden Sie mir in diesem Fall die entsprechenden Belege zu.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Martin Hecht
Zu dem vom Kanzler vorgebrachten Argument, dass
Tagungsinfrastrukturen in einer Art und Weise auf den Foyerflächen aufgebaut worden [sind], die nach geltenden Festlegungen zur Durchführung von Veranstaltungen, insbesondere unter Brandschutz- und Sicherheitsaspekten, in keiner Weise zu dulden sind
stellte Jose Lozan in seiner E-Mail vom 22. Februar 2020 richtig:
Zum Inhalt des Schreibens des Kanzlers kann ich nur sagen, dass einige, die das Schreiben erhalten bzw. erhalten haben, am Dienstagnachmittag im Geomatikum anwesend waren und wissen, dass das nicht der Wahrheit entspricht. Auch Prof. Grassl war da. Wir hatten im Foyer nichts aufgebaut. Nur im Museum, wo ich die Genehmigung vom Museumsleiter – Herrn Kotthoff – hatte, wollten wir den Kaffee anbieten. Als der Campusmanager dagegen war, sagte ich ihm – wir kochen den Kaffee ausserhalb und nutzen das Museum nur um den Kaffee zu servieren – das hat er ebenfalls nicht akzeptiert.
Weitere Stellungnahmen (aktualisiert 2020-03-30):